Exit Racism [Rezension]

 


"Kurz gesagt: Du bist rassistisch sozialisiert worden. So, wie viele Generationen vor Dir, seit über dreihundert Jahren" 



Titel: Exit Racism - rassismuskritisch denken lernen
Autor: Tupoka Ogette
Verlag: Unrast
Seiten: 136
Erscheinungsjahr: 2020
ISBN: 978-3-95405-011-6
Genre: Sachbuch, Zeitgeschehen
Art: flexiber Einband


"Die Europäer sind nicht zu Sklavenhändlern geworden, weil sie Rassisten waren. Andersherum wird ein Schuh draus. Sie wurden Rassisten um Menschen für ihren eigenen Profit versklaven zu können. Sie brauchten eine ideologische Untermauerung, eine moralische Legitimierung ihrer weltweiten Plünderungsindustrie.

 

"Es ist ein Sommertag Mitte der Achtzigerjahre. Der Spielplatz - Steinplatz genannt - liegt vor mir





Obwohl Rassismus in allen Bereichen der deutschen Gesellschaft wirkt, ist es nicht leicht, über ihn zu sprechen. Keiner möchte rassistisch sein, und viele Menschen scheuen sich vor dem Begriff. Das Buch begleitet die Leser*innen bei ihrer mitunter ersten Auseinandersetzung mit Rassismus und tut dies ohne erhobenen Zeigefinger. Vielmehr werden die Leser*innen auf eine rassismuskritische Reise mitgenommen, in deren Verlauf sie nicht nur konkretes Wissen über die Geschichte des Rassismus und dessen Wirkungsweisen erhalten, sondern auch Unterstützung in der emotionalen Auseinandersetzung mit dem Thema.

Übungen und Lesetipps eröffnen an vielen Stellen die Möglichkeit, sich eingehender mit einem bestimmten Themenbereich zu befassen. Über QR-Codes gelangt man zu weiterführenden Artikeln, Videos und Bildern. Ergänzend dazu finden sich in fast jedem Kapitel Auszüge aus sogenannten Rassismus-Logbüchern – anonymisierte Tagebücher, die ehemalige Student*innen von Tupoka Ogette in ihrer eigenen Auseinandersetzung mit Rassismus geführt haben und in denen sie über ihre Emotionen und Gedankenprozesse berichten. Auch Handlungsoptionen kommen nicht zu kurz. Ziel des Buches ist es, gemeinsam mit den Leser*innen eine rassismuskritische Perspektive zu erarbeiten, die diese im Alltag wirklich leben können.


"Spricht nicht FÜR sondern MIT Schwarzen Menschen und People of Color […] Hör endlich zu […] Sprich Rassismus an, wenn du ihn erkennst […] übernimm Verantwortung für deine Privilegien […] Gib nicht auf."

 



An wen richtet sich dieser Ratgeber? Ist es überhaupt ein solcher? Haben wir das nötig? Wer sind "wir" überhaupt? Ich kann ich nur ein klares "Ja" zurückgeben. Wenn du dieses Buch schon in die Hand genommen hast, dann sagt es ja eigentlich schon, dass du es interessant findest oder das etwas in dir danach verlangt. Lies es einfach! Wenn du nach Ausreden suchst, es nicht zu lesen und deswegen noch nicht näher betrachtet hast, solltest du es erst recht lesen. Du gehörst selbst zu People of Colour (Jetzt mal im Ernst, wer eig nicht? Lies das Buch!) und/oder hast einen Migrationshintergrund und meinst, das Buch könnte dir nichts mehr geben? Nun, ich kann nicht für dich und deine Erfahrungen sprechen, aber ich denke, dass es auf keinen Fall verschwendete Zeit ist. Einige Wochen vorher habe ich "Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten" gehört. Auch "Exit Racism" habe ich als Hörbuch gehört. Was im Übrigen keine schlechte Entscheidung ist. Gelesen wird letzteres von Kira Soltani, während das erstgenannte von der Autorin Alice Hasters selbst gesprochen wurde. Beide Bücher eignen sich hervorragend, um einen ersten fundierteren Einblick in das Thema Rassismus zu erlangen. Beide Autorinnen lassen ihre privaten Erfahrungen in das Buch einfließen, aber Tupoka Ogette macht es meiner Meinung nach auf eine professionellere Art. Sie baut ihr Buch weniger aufklärerisch, sondern eher wie ein Workbook, Lernbuch auf. Sie gibt Einblicke in ihre Arbeit als Antirassismustrainerin und lässt auch viele andere Stimmen zu Wort kommen. Es gibt Übungen und der positive Blick nach vorn steht im Vordergrund. Alice Hasters spricht die Leserschaft gezielt an und beschönigt nichts und hat auch kein Problem, dem einen oder anderen auf den Schlips zu treten. Ein bisschen merkt man das bei Ogette auch, ich finde das bei Büchern dieser Art auch gut. Denn in Windeln haben wir unsere Gesellschaft schon lang genug eingepackt. Aber genau deswegen kann ich mir vorstellen, dass Exit Racism vielleicht der effektivere Weg ist, die Sicht zu ändern und die Umgebung bewusster wahrzunehmen. Von den behandelten Themen tun sich die beiden aber nicht viel. 
Wegen der Übungen und der in der obigen Zusammenfassung angesprochenen QR-Codes sollte man sich, trotz der hervorragenden Lesung, vielleicht zweimal überlegen, ob das Haptische in diesem Fall nicht die bessere Version ist. Im Prinzip handelt es sich um ein Buch, das einem über lange Zeit begleiten, das man immer wieder aufschlagen kann. Auch wenn viele angesprochenen Aspekte bekannt sind, tut es gut, sie sich wieder und wieder zu verinnerlichen. 



"'Happyland' – wo weiße privilegierte Menschen leben, bevor sie sich bewusst mit dem Thema Rassismus befassen."

 




Sehr eindringlich, aufweckend und nie zu spät, um es in die Hand zu nehmen!


"Wir sollten uns von dem Gedanken befreien, dass unsere Aussagen perfekt und unanfechtbar sein müssen."
 





"Wir könnten die Chancen nutzen, die sich uns bieten – sei es an Universität oder Schule."





"Andererseits liegt es daran, dass alle Menschen in ihrem Schmerz gehört werden wollen. Menschen wollen nicht Täter sein. Menschen wollen Opfer sein. Also nicht wirklich, sie wollen nicht wirklich leiden, aber man soll es ihnen lassen, dass auch sie gelitten haben, dass es auch ihnen schlecht geht, dass auch sie unterdrückt werden, etc."  

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"Die Aufklärung ist somit ein furchtbar zweischneidiges Schwert. Einerseits lieferte sie zwar das Rüstzeug für die politische und soziale Gleichberechtigung, andererseits sieht sie den Menschen nicht mehr als Kind Gottes, sondern als eine Variante des Tierischen.


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"Da das R-Wort so schwer moralisch belastet ist und Rassismus = schlechter Mensch bedeutet, kommt es für die*den Happyländer*in auch einer schweren Beleidigung gleich, des Rassismus bezichtigt zu werden."

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"Die Auseinandersetzung mit Rassismus unter Berücksichtigung der emotionalen Ebene ist in meiner Arbeit neben der reinen Wissensvermittlung auch der wichtigste Teil."

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