Die ewigen Toten [Rezension]

 


"Leichenschauhäuser sehen auf der ganzen Welt ähnlich aus. Manche mögen moderner und besser ausgestattet sein, aber im Grunde ist eins wie das andere. Die gekühlte Luft und der Geruch nach Desinfektionsmittel, der die anderen, biologischen Gerüche überdeckt, sind überall gleich"

 




Titel: Die ewigen Toten #6
Autor: Simon Beckett
Übersetzung: Aus dem Englischen von Karen Witthuhn und Sabine Längsfeld
Verlag: Rowohlt
Seiten: 480
Erscheinungsjahr: 2019
ISBN: 978-3-499-25506-9
Genre: Thriller
Art: flexibler Einband


"Die meisten Menschen glauben zu wissen, wie Verwesung riecht. Sie denken, der Geruch wäre markant, unverwechselbar, der faulige Gestank des Grabes. Sie irren sich. 

 

 




Es handelt sich um den sechsten Teil der Reihe. Ich habe vorher nur den ersten gelesen und werde die dazwischenliegenden nun wohl nicht mehr lesen, weil ich durch diesen Teil wahrscheinlich ziemlich gespoilert wurde. Ich kann nur empfehlen, sich an die Reihenfolge zu halten. Ansonsten ist jeder Teil aber in sich schlüssig, ich hatte nicht den Eindruck, mir würden wichtige Informationen fehlen. Hier geht es zu meiner Rezi zum ersten Teil.

Nur Fledermäuse verirren sich noch nach St. Jude. Das Krankenhaus im Norden Londons, seit Jahren stillgelegt, soll in Kürze abgerissen werden. Doch dann wird auf dem staubigen Dachboden eine Leiche gefunden, eingewickelt in eine Plastikhülle. Die Tote, das sieht David Hunter sofort, liegt schon seit langer Zeit hier. Durch das trockene und stickige Klima ist der Körper teilweise mumifiziert.
Als beim Versuch, die Leiche zu bergen, der Boden des baufälligen Gebäudes einbricht, entdeckt der forensische Anthropologe ein fensterloses Krankenzimmer, das nicht auf den Plänen verzeichnet ist. Warum wusste niemand von der Existenz dieses Raumes? Und warum wurde der Eingang zugemauert, obwohl dort nach wie vor Krankenbetten stehen? Betten, in denen noch jemand liegt ...



"Ich wischte mir eine Spinnwebe aus dem Gesicht. Wie zerrissene Theatervorhänge hingen sie schmutzverklebt von den Dachbalken. Alles hier oben war von Staub überzogen, die früher gelbe Isolierung zwischen den Trägern hatte sich in eine dreckige, braune Matte verwandelt. Staubpartikel wirbelten durch die Luft, glänzten in dem hellen Licht. Meine Augen juckten, trotz der Maske schmeckte ich Staub im Mund. Als über mir etwas durch die Luft schoss - ich fühlte es mehr, als dass ich es sah -, duckte ich mich. Erkennen konnte ich in der Dunkelheit nichts. Ich verbuchte es unter Einbildung und konzentrierte mich wieder darauf, wohin ich meine Füße setzte."

(S.9)





Im Nachhinein schade, dass ich nicht zuerst die anderen Teile gelesen habe, denn eigentlich mag ich es, wenn Elemente aus vorherigen Teilen auch später noch eine Rolle spielen. Aber nun kann ich mir ein wenig denken, was vorher passiert ist oder zumindest, wie es privat für den Forensiker ausgeht, weswegen ich mir damit die Spannung an den Vorbänden genommen haben dürfte. Aber man sollte niemals nie sagen...

Die Reihe eignet sich hervorragend als Hörbuch, was wohl nicht zuletzt am talentierten Sprecher (Johannes Steck) liegt. Normalerweise höre ich Thriller nicht, weil ich den Eindruck habe, dass es sich bei diesem Genre am negativsten auswirkt, wenn man mal für zwei Minuten nicht hinhört. In diesem Fall habe ich entweder die ganze Zeit aufmerksam gelauscht oder immer schnell den Anschluss gefunden. Auf jeden Fall hat es Spaß gemacht.

Allerdings konnte ich mich auch davon überzeugen, dass es sich bei dieser Reihe nicht um klassische Thriller handelt. Ich lese sie nicht, weil ich spannende Kriminalfälle mit einem starken Spannungsbogen erwarte, sondern neue Einblicke in die Arbeit eines Forensikers empfangen möchte. Davon gibt es hier zur Genüge und genau das ist auch das Besondere an Simon Becketts Büchern. 

London als Schauplatz sagt mir auch sehr zu, die Düsternis eines verlassenen Krankenhauses setzt da nochmal einen drauf. Und trotzdem bin ich nicht voll und ganz überzeugt. Das liegt daran, dass Beckett es hier meiner Meinung nach mit Tiefschlägen und Wendungen übertreibt. Es kommt vom Einen zum Anderen und natürlich entpuppt sich die Auflösung dann am Ende als ziemlich unwahrscheinlich. Vieles hätte auch nicht unbedingt passieren müssen. Da waren die Beteiligten entweder sehr unvorsichtig oder hatten ein Brett vorm Kopf. 

Nichtsdestototrotz möchte ich nochmal den Schreibstil hervorheben. Ich mag es, wie die Namen (meistens nur die Nachnamen!) in die Sätze integriert werden und die trotzige Haltung Hunters. Ich bin gespannt auf das nächste Abenteuer!




"Die inneren Organe waren so geschrumpft und zersetzt, dass sie nicht zu erkennen waren.
Doch nicht das war es, was alle hatte verstummen lassen."
(S.31)





Wiedermal interessante Einblicke in die Forensik, vielleicht ein wenig zu turbulent, aber an sich ein spannender Fall!

 


"Offene Türen lenkten den Blick in düstere Räume, leer bis auf einen umgefallenen Stuhl hier oder einen kaputten Tisch da. Wenn dies je ein Ort der Genesung und Heilung gewesen sein sollte, war davon nichts mehr zu spüren. Jetzt lag Verzweiflung über allem."
(S.83)

 









"Es war das alte Krankenhaus selbst, das mir an die Nieren ging. Das St. Jude schien eine unheilvolle Beklemmung auszulösen, die immer stärker wurde, je länger man sich darin aufhielt."

(S.62)








"Es herrschte allgemein der Eindruck, dass die Suche sich dem Ende zuneigte, dass das St. Jude keine weiteren Überraschungen mehr bereithielt. Ich hätte es besser wissen sollen."
(S.287)


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