Schuld und Sühne [Rezension]

 


"Alles liegt in den Händen der Menschen, und er lässt es entschlüpfen, weil er feige ist" 





Titel: Schuld und Sühne
Autor: Fjodor Dostojewski
Übersetzung: Aus dem Russischen von Hermann Röhl
Verlag: Anaconda
Seiten: 800
Erscheinungsjahr: 2012 (1866)
ISBN: 978-3-86647-765-0
Genre: Klassiker, Kriminalroman
Art: fester Einband


"Aus hundert Kaninchen wird niemals ein Pferd und aus hundert Verdachtsgründen niemals ein Beweis. 


"An einem der ersten Tage des Juli - es herrschte eine gewaltige Hitze - verließ gegen Abend ein junger Mann seine Wohnung, ein möbliertes Kämmerchen in der S...gasse, und trat auf die Straße hinaus; langsam, wie unentschlossen, schlug er die Richtung nach der K...brücke ein


"Um einen fremdem Menschen richtig zu beurteilen, muß [sic!] man sich ihm vorsichtig und schrittweise nähern, um nicht in Irrtümer und Vorurteile zu verfallen, die später schwer zu berichtigen und auszumerzen sind.





St. Petersburg im 19. Jahrhundert. Der mittellose Student Raskolnikow verpfändet seine Wertgegenstände bei der Pfandleiherin Aljona Iwanowna. Zudem macht er die Bekanntschaft des ehemaligen Kommissars Marmeladow, dessen Familie ebenfalls in armen Verhältnissen lebt, sodass er sogar seine Tochter Sonja in die Prostitution geben musste. Nachdem er von seiner Mutter erfährt, dass seine Schwester Dunja sich nur wegen seinen Studienkosten mit dem einflussreichen Luschin zu verheiraten gedenkt, versucht er die Heirat zu verhindern. Dazu plant er, seine mit allen Wassern gewaschene Pfandleiherin auszurauben. Letztendlich führt das Vorhaben zum zweifachen Mord an Aljona und ihrer Schwester Lizaweta. Nach Raskolnikows Theorie lassen sich die Menschen in zwei Parteien zerlegen. Die Großen sind des Lebens wert und vollbringen für das Wohlergehen der Mehrheit mitunter kriminelle Taten und haben immer noch das Recht auf ihrer Seite. Die Anderen stellen nach ihrer Ermordung keinen Verlust für die Menschheit dar. So auch seine Pfandleiherin. Er selbst zählt demnach zu den Großen. Doch nach seiner Tat, bei der er fast erwischt wird, hat er mit starken Gewissensbissen zu kämpfen und liegt nach einer Vorladung der Polizei am nächsten Tag sogar krank im Bett. Er muss mit der ständigen Angst leben aufzufliegen. An seinem Krankenbett besucht ihn nicht nur sein Freund Rasumichin, der Gefallen an Dunja findet, sondern auch Luschin, den er zurückweist. Außerdem taucht der ehemalige Dienstherr seiner Schwester, Swidrigailow auf und will ihr Geld geben, damit sie nicht heiraten muss. Davon will Raskolnikow aber nichts wissen. 
Auf der Straße sieht er, wie Marmeladow betrunken von einer Kutsche ünberrollt wird. Er bringt ihn nach Hause, wo dieser aber an seinen Verletzungen stirbt. Er kümmert sich um die Familie und lernt so auch Sonja kennen. 
Der ermittelnde Komissar Porfiri Petrowitsch hat indessen den Verdacht, dass Raskolnikow hinter der Ermordung der Schwestern steckt, kriegt Raskolnikow aber nicht richtig ran. Dieser beichtet seine Tat der glaubensnahen Sonja, die ihm die Auferstehungsgeschichte vorliest, Allerdings hört Swedrigailow das Geständnis und versucht Dunja damit zu erpressen. Diese lässt aber nicht locker. Petrotwisch hat endlich die nötigen Beweise zusammen und kündigt seine baldige Verhaftung an. Letztendlich stellt Raskolnikow, (gescheitert als Überlegener seiner eigenen Theorie nach?) sich, durch Sonja ermutigt. der Polizei und wird zu acht Jahren Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt. Sonja begleitet ihn und Dunja heiratet Rasumichin, während seine Mutter verstirbt. Die Last der Vergangenheit löst sich mit der Zeit von seinen Schultern.


"Ich habe mich wie ein kluger Mann ans Werk gemacht, und das hat mich zugrunde gerichtet.


 



Zuerst möchte ich sagen, dass ich das Buch als Hörbuch gehört habe. Ob das eine gute Entscheidung war? Das musst du natürlich selbst entscheiden, es ist aber gar nicht so einfach, eine passende Vertonung zu finden.  Ich habe eine gefunden, mit der ich mich gut arrangieren konnte. Denn ihr könnt euch sicher denken, dass es min. ein Monatsvorhaben ist. Ich glaube, ich war zwei beschäftigt. Mit einer nervigen Stimme sicher kein spaßiges Vergnügen. Wer das Buch aber intensiv lesen möchte, dazu gehört meiner Meinung nach auch, sich Bemerkungen am Rand zu machen, der sollte es lieber gleich selbst lesen. Ich habe viel mitbekommen, aber manchmal bin ich auch mit den Gedanken abgeschweift. 
Ganz ehrlich: Es ist kein Klassiker, den ich bedingungslos weiterempfehle oder den man meiner Meinung nach gelesen haben muss. Es gilt als der Ur-Krimi. Ich bezweifle das. Das fängt schon dabei an, dass es eher ein Psychothriller ist, der aufzeichnet, wie die Gewissensbisse den Mörder auffressen. Da der Erzähler auktorial ist, können die einzelnen Figuren bis in die hintersten Ecken durchleuchtet werden. Was in ihnen vorgeht, wissen die Leser*innen sofort. Es geht also nicht per se um die Ermittlungen, sondern darum, ob Raskolnikow ungestraft davonkommt. 
Eine andere Besonderheit des Romans sind die vielen gesellschaftlichen Themen, die mitmischen, allen voran die Theorie über die Polarität der Menschheit in Große und weniger wertvolle. Aber das hat mich persönlich jetzt nicht sonderlich inspiriert, weil ich die Theorie nicht für tragfähig und deswegen auch für bedeutungslos halte. Zu sehen, dass Raskolnikow daran scheitert, sie zu bestätigen, hat mich keineswegs überrascht. Es ist wohl eher eine Ermessenssache, dass manche Morde aufgrund deren (positiver) Wirkung in den Hintergrund geraten und ungestraft davon kommen. Die meisten von uns, wenn sie sich die Taten vor Augen führen, werden sie aber doch wohl trotzdem verurteilen. Vielleicht bin ich da aber auch zu optimistisch. Man sollte den Roman auch nicht aus dem räumlichen und zeitlichen Kontext seiner Entstehung heben. Für mich klang es jedenfalls an manchen Stellen ziemlich aus der Luft gegriffen. Das durchgängige geisteswissenschaftliche Geplätscher (Die Hinzunahme vieler verschiedener Diskurse von Politik über Philosophie bis hin zu Psychologie) erinnert stark an Dostojewski erinnert stark an seinen Kollegen Tolstoi. Von beiden russischen Autoren habe ich bis jetzt nur ein Werk gelesen, weswegen es schwer fällt, die Beobachtungen zu verallgemeinern. Aber Tolstoi konnte mich besser unterhalten. Bei ihm habe ich mehr Witz vorgefunden und in der Düsternis der gläsernen Figuren (beide schaffen es, dass man sich in die verschiedensten Personen hineinversetzen und ihre Schwächen erkennen kann) ist auch mehr Wärme übrig geblieben. Schwierig machen es einem beide, was die Namen angeht, besonders für den ungeübten. Wer bitteschön hat sich das russische Namensystem ausgedacht?
Das Ende von Schuld und Sühne war auch gar nicht mein Fall. Wenn ich ihm auch lassen muss, dass es gar nicht mal so einfach ist, am Ende die Frage zu beantworten, ob er denn nun gerecht gestraft wurde oder nicht. Fast alle Diskussionen im Buch haben mit dieser Schlüsselfrage irgendwie zu tun, weswegen ich schon sagen würde, dass es sich als Schullektüre eignete, wenn es nicht so dick wäre. Sprachlich ist es auch gut lesbar. Aber genauso gut kann man meiner Meinung nach auch Das Parfum von Süsskind oder Der Prozess von Kafka lesen. Auch Der Richter und sein Henker von Dürrenmatt wären thematisch eine gute Alternative. Das einzige Argument, das für mich für Dostojewski sprechen würde, wäre die besondere psychologische Innensicht und die auktoriale Erzählhaltung. Vielleicht sollte ich noch mehr von ihm lesen, um ein besseres Urteil zu fällen.

"Mordet man denn so? Geht man zu einem Mord so, wie ich damals gegangen bin?... Habe ich die Alte ermordet? Mich selbst habe ich ermordet und nicht die Alte! Mit einem Schlag habe ich mir den Garaus gemacht, einmal für immer!... Und diese Alte hat der Teufel ermordet, nicht ich.




Eine sehr vielschichtig verzeichnete Kriminalgeschichte, psychologisch und philosophisch ausgerichtet. Aber es hatte mich nicht vollständig.


"Sie haben geweint und sich daran gewöhnt. An alles kann sich der Mensch, dieses Schwein, gewöhnen!"







"Mein Freund! Die Menschen so zu lieben, wie sie sind, ist unmöglich. Doch es muß [sic!] sein. Deswegen sei gut zu ihnen. Bezwinge deinen Zorn, halte dir die Nase zu und schließe deine Augen!







"Mit der Logik allein ist die menschliche Natur nicht zu besiegen. Die Logik sieht drei Möglichkeiten, dabei gibt es ihrer eine Million!"  

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"Es gibt nichts Schwereres auf der Welt als offener Freimut und nichts Leichteres als Schmeichelei.


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"Jeder sorgt für sich, und am lustigsten lebt derjenige, der sich selbst am besten zu betrügen versteht.


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"Ohne Kraft erreicht man nichts, und Kraft muß [sic!] man durch Kraft erlangen.


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"Man schämt sich und kehrt zu den Menschen zurück!

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"Ein soundso großer Prozentsatz, sagt man, muß [sic!] im Jahr [...] irgendwohin [...] abgehen, wohl zum Teufel, damit die übrigen frisch bleiben und man sie nicht stört."


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"Wer vieles wagt, ist bei den Menschen im Recht. Wer auf das meiste spucken kann, der ist ihr Gesetzgeber; und wer am meisten wagt, genießt die meisten Rechte. So war es bisher, und so wird es immer sein! Nur ein Blinder sieht das nicht!"

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"Es müsste doch so sein, dass jeder wenigstens eine Stelle hat, wo er Mitleid findet.


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"Man kann als Armer noch den Adel der angeborenen Gefühle bewahren, als Bettelarmer aber nie und nimmer.


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"Es gibt Begegnungen mit Menschen, die uns vom ersten Augenblick ein Interesse abgewinnen, bevor wir noch ein Wort mit ihnen gesprochen haben." 


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"Es ist nur eine Kleinigkeit, aber diese Kleinigkeiten verderben immer alles. 

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"Und mag die Schmeichelei noch so plump sein, es wird doch unbedingt mindestens die Hälfte als Wahrheit geglaubt.



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"Leiden und Schmerz sind immer die Voraussetzung umfassender Erkenntnis und eines tiefen Herzens. Mir scheint, wahrhaft große Menschen müssen auf Erden eine große Trauer erleben.


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"Was wäre ich denn ohne Gott?




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