Die Krone der Schöpfung [Rezension]
Titel: Die Krone der Schöpfung Autor: Lola Randl Verlag: Matthes & Seitz Seiten: 248 Erscheinungsjahr: 2020 ISBN: 978-3-7518-0006-8 Genre: Zeitgeschehen, komische Story Art: fester Einband
"Wenn Sie das hier lesen, wird das Gröbste schon vorbei sein. " Haha! "Fledermäuse sind nach Menschen die am häufigsten vorkommenden Säugetiere auf der Erde." Ist es überflüssig zu erwähnen, dass es sich um ein Buch der ganz speziellen Sorte handelt? Vermutlich würdest du es nicht mal in die Hand nehmen, wenn du das Cover siehst, weil es nicht viel vom Inhalt erwarten lässt. Auch ich finde das Cover nicht glücklich gewählt, da es bis auf die provokative Anbindung an den Titel kaum Korrelationen mit dem Inhalt gibt. Wobei: Wer die Erzählerin kennengelernt hat, wird wissen, dass ihr genau solch eine abstruse Kunst ähnlich sieht. Lasst euch aber nicht abschrecken! Ich kann mir vorstellen, dass das Buch nicht jedermanns Sache ist. Vor allem die Thematik hängt uns allen schon zum Hals raus. Aber mit genügend Abstand kann ich mir vorstellen, dass es sehr amüsant sein wird, dieses Buch zu lesen. Mir ging es jetzt schon so. Da es schon im Herbst erschienen ist, endet es bereits mit der spätsommerlichen Corona-Lage. Es wäre interessant gewesen, auch die ironische Verarbeitung des aktuellen Lockdowns serviert zu bekommen à la Lola Randl. Raffiniert verpackt sie Gesellschaftskritik in Fiktion. Der Schreibstil ist sehr künstlerisch, innovativ, besonders. Es wird mit der Sprache gespielt, der Spaß, den die Autorin dabei hatte, steht quasi in Großbuchstaben zwischen den Zeilen geschrieben. Und das Lesen war deswegen und auch wegen der kurzen Kapitel ein kurzes Vergnügen. Neben belustigten Ausdrücken wie "aber man hatte sie jedenfalls schon mal in der Hand, die Handhabe" und Neologismen wie "anachronistische Kittelschürze" ist das Einmalige der Sprache, dass sie die Erzählerin sehr authentisch erscheinen lässt und durch die Anonymität der Charaktere trotzdem auf die Distanz hält (vgl. z.B "Sie", "Er", "Der Mann", "Der Liebhaber", "Die Kinder"). Es ist gewiss kein Roman, in den man abtaucht und in ferne Welten transportiert wird. Ganz im Gegenteil: Man wird gezwungen, sich mit der eigenen Realität (Politik, Biologie, Gesellschaft und Kultur) auseinanderzusetzen und sie zu hinterfragen. Es ist keine Geschichte, in die man sich fallen lässt. Interpretation und Mitdenken sind gefragt. Es ist nicht immer eindeutig, aus wessen Sicht gerade geschrieben wird. Zum Teil tauchen wir ein in den Körper des ehemaligen US-Präsidenten :). Wenn das keine schrullige Idee der Autorin ist. Zum Großteil handelt es sich aber um eine tagebuchartige Dokumentation der protagonistischen Erzählerin, die einen Google-Tick hat. Ständig tauchen Nonsense-Wissensbröckchen über die unterschiedlichsten Themen auf, die an sich aber interessant waren und auf den zweiten Blick mit dem Inhalt der umgebenen Kapiteln harmonierten. Dass die Protagonistin, so sympathisch sie auch ist, letztendlich doch einen an der Klatsche hat, merkt man vor allem Richtung Ende. Da wurde es mir dann doch an einer Stelle eindeutig zu abstrus. Aber insgesamt konnte mich das Büchlein durch seine innovative Art der Auffassung des Zeitgeschehens überzeugen. Die Sprache ist ironisch, provokant, on point und die ganze Geschichte, was man erst durch Aufmerksamkeit erkennt, mehr als durchdacht. Das fängt mit der Nummerierung an und hört wohl bei dem seltsamen Cover auf. Das mit der persönlichen Relevanz muss wohl jeder für sich selbst klären.
Ein frischer Wind. Ich habe mich köstlich amüsiert!
"Manchmal braucht es mehrere Fehler, damit etwas richtig werden kann, und keiner kann wissen, welche Fehler das sein müssen." (S.32) ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ "Ich schämte mich ein bisschen, dann [sic!] damit war endgültig bewiesen, dass Liebhaber in der Not ganz nebensächlich sind." (S.63) ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ "Das, was die Korrespondenten sahen, nannten sie Tatsachen, und sie nahmen ihr geduldiges Papier und füllten es mit ihren Tatsachen, und die Dinge und Verhältnisse wollten weinen vor Scham." (S.114f.) ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ "Das Problem an der Konzentration ist ja, dass man sie einem von außen nicht ansieht, und oft ist das, was bei der Konzentration rauskommt ebenfalls nicht ganz offensichtlich." (S.125) ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ "Probleme, die nicht so genau benannt werden, sind meistens schlimm." (S.157) ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ "Der Virus war eben jung und wusste selbst noch nicht so genau, wer er war und wie er mal sein wollte." (S.163) ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ |
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