Die Erfindung der Flügel [Rezension]


" Es war einmal eine Zeit, da konnten die Menschen in Afrika fliegen"



Eckdaten


Titel: Die Erfindung der Flügel
Autor: Sue Monk Kidd
Verlag: btb
Seiten: 495
Erscheinungsjahr: 2017 (2014)
ISBN: 978-3-442-71467-4
Übersetzung: Aus dem Amerikanischen von Astrid Mania
Genre: Roman des Lebens, Historienroman, Aus dem Leben gegriffen
Art: flexibler Einband







" Ein Sklave sollte wie der Heilige Geist sein- man sieht ihn nicht, man hört ihn nicht, aber er schwebt immer eifrig um einen herum.

(S. 13)






Inhalt


Sarah Grimke bekommt zu ihrem 11. Geburtstag von ihrer Mutter das Sklavenmädchen Handful geschenkt. So trotzig sie auch ist, sie schafft es nicht, Die Sklavin abzuweisen oder ihr gar die Freiheit zu ermöglichen. Mit der Zeit freunden sich die beiden Mädchen an.

Sarah träumt davon, später Anwältin zu werden, doch zu dieser Zeit scheint es unmöglich zu sein... Zum anderen kommt ihr auch ihre Sprachstörung in die Quere, die sie hat, seitdem sie als kleines Mädchen die Auspeitschung einer Sklavin durch ihre Mutter beobachtet hat.
Handful, ihre Mutter und die anderen Sklaven im Hause Grimke kämpfen um ihr Überleben. Die Hausherrin geht mit ihrer Peitsche nicht sparsam um. 

Im südstaatlichen Charleston ist das Wesen der Versklavung besonders verbreitet, es gibt hier sogar ein Arbeitshaus, das der Bestrafung dienen soll. 

Charlotte, Handfuls Mutter, erzählt ihrer Tochter ihre Geschichte, die in Afrika beginnt, wo ihre Seelen noch fliegen konnten... Sie nimmt der kleinen Sarah das Versprechen ab, dass sie alles dafür tun möge, ihrer Tochter einmal die Freiheit zu verschaffen. 

Als sie Handful das schreiben und lesen beigebracht hat, werden ihr zur Bestrafung die Bücher genommen.

Schließlich bekommt Sarah noch eine kleine Schwester, die Angelina heißt. Sie nennt sie Nina. Von ihrer Mutter bekommt sie die Erlaubnis, Patin der Kleinen zu sein und wird ihr erst zu einer Mutter und dann zur besten Freundin. Dafür verbreitet sich der Abgrund zwischen ihr und ihrer Mutter und Handful.
Nina übernimmt all ihre Werte und Ansichten, besonders die Abneigung gegen weibliche Unterdrückung sowie Versklavung...

Eines Tages verschwindet Charlotte. Sie hat sich schon länger heimlich davongeschlichen, um ihren Geliebten, Denmark Versey, der ein freier Schwarzer ist und Frauen überall in der Stadt verteilt hat, zu besuchen. Niemand weiß, wo sie sich aufhält. Und das nur, weil sie einer weißen Frau nicht platzmachen wollte... Sie war schwanger.

Sarah ist nun eine erwachsene Frau in Gesellschaft, einen Mann findet sie dennoch nicht. Sie will es auch nicht weiter versuchen, sondern wendet sich Gott zu.

Sie begleitet ihren Vater zu seiner letzten Reise in den Norden. Er ist sehr krank...
Auf der Heimreise lernt sie auf dem Schiff von Philadelphia nach Charleston Israel Morris und seine große Familie kennen. Sie sind Quäker. Da weiß sie noch nicht, dass sich von hier an ihr Leben und das ihrer kleinen Schwester verändern wird. Sie wird lernen, ihren eigenen Weg zu gehen und dafür ihre Stimme zu erheben.

Sie werden die Welt verändern.



" Auf dieser Welt gab es so vieles, was man haben und nicht haben konnte.
(S. 51)


Meine Meinung


Dieses Buch verbindet nicht nur im Roman selbst Generationen, sondern es hat auch die Generationen meiner Familie beschäftigt. Zuerst meine Oma, dann meine Mama und schließlich mich. 

Es  ist sehr schön geschrieben und schau dir an, wieviele Zitate ich dem Buch entnehmen konnte! 
Es wird jeweils aus der Sicht von Sarah und aus der Handfuls berichtet, und zwar abwechselnd. Hier hat man dezente Unterschiede in der Sprechweise und stärkere in den Gedanken festgestellt. Diese Mädchen kommen aus zwei völlig unterschiedlichen Welten...

Die Art, in der diese Welten zusammenfinden und was daraus erwächst, ist berührend. Dennoch konnte ich in der ersten Hälfte des Buches das Gefühl nicht abschütteln, dass die Erzählung auf irgendeine Art nüchtern ist. Ich habe schon viele Bücher mit dieser Thematik gelesen, aber keines war so distanziert.

Nachdem ich dann aber die wirklich gelungene Anmerkung gelesen habe, ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen: Die Grimke-Schwestern und so viele andere Figuren hat es als reale Personen wirklich gegeben. Das hat mein Interesse völlig neu entflammt: Ich habe noch lange, nachdem ich das Buch ausgelesen habe, recherchiert. 

Mir hat auf jeden Fall gut gefallen, dass wir es hier nicht mit der typischen Protagonistin und auch nicht mit der typischen Fügung und Wendungen zu tun haben.

Eine unheimlich vielschichtige, tiefgreifende Geschichte :).



" Sie sagt, unsere Seelen leben jetzt bei den Vögeln und lernen zu fliegen.
(S. 75f.)


Fazit


Beflügelnd und bereichernd!



" Tatsächlich aber[…] muss einem jeden Mädchen dieser Ehrgeiz zu seinem eigenen Besseren ausgetrieben werden.
(S. 111)



Wertung







" Gebt acht, denn ihr könnt zweifach versklavt werden. Einmal mit eurem Körper, und einmal mit eurem Geist.
(S. 273)



" Ich bin ein freier Mann. Ich bin, wo ich bin.
(S. 346)


" Ich war die Denkende, sie die Handelnde. Ich entzündete das Feuer, sie trug es in die Welt. Und da begriff ich, wie listig die Parzen doch gewesen waren. Nina war der eine Flügel, ich der andere.
(S. 413)


" Geschichte besteht nicht nur aus Fakten und Ereignissen. Geschichte ist auch ein tiefer Schmerz im Herzen eines Menschen, und wie müssen die Geschichte wiederholen, bis es uns gelingt, den Schmerz eines anderen in unser eigenes Herz zu tragen.
(S. 492)




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