Die Päpstin [Rezension]

 


"Wahrhaftig, das Glück ist der Herrscher des Lebens" 





Titel: Die Päpstin
Autor: Donna W. Cross
Übersetzung: Aus dem Amerikanischen von Wolfgang Neuhaus
Verlag: Aufbau Taschenbuch Verlag
Seiten: 566
Erscheinungsjahr: 1998 (1996)
ISBN: 3-7466-1400-7
Genre: Historienroman
Art: flexibler Einband

 
"Also gut, du kleine Wachtel. Ich werde dir die Geschichte erzählen, weil du so nett zu fragen verstehst. 

(S.20) 



"Es war am siebenundzwanzigsten Tag des Wintarmanoth im Jahre unseres Herrn 814, im härtesten Winter seit Menschengedenken



"Weshalb fürchtet Ihr Euch dann, den Glauben im Licht der Vernunft zu betrachten? Und was ist Logik anderes als streng vernunftbestimmtes Denken? Gott selbst hat uns die Vernunft gegeben. Wie könnte sie uns da von ihm wegführen? 
(S.46) 



Johanna von Ingelheim hat es als Kind nicht leicht. Sie wächst mit einem sehr strengen Dorfpriester als Vater auf, der sie für ihr Geschlecht verachtet. Ihre Mutter ist eine sächsische Sklavin und gibt ihren Glauben, die nordischen Sagen und die eigenen Werte im Verborgenen an ihre Tochter weiter. Ihr ältester Bruder Matthias wird auf eine geistliche Zukunft vorbereitet und bringt seiner Schwester heimlich das Lesen und Schreiben bei, verstirbt aber bald darauf. Der Zweitälteste ist ist für mentale Tätigkeiten nicht zu gebrauchen. Der Vater verliert schnell die Geduld mit ihm. Das Glück bringt ihnen einen griechischen Gelehrten ins Haus, der Johannas Talent erkennt und den Bruder Johannes nur unter der Bedingung unterrichtet, dass er auch die Tochter unterrichten darf. Als der Lehrer fort muss, führt Johanna das Lernen heimlich im Dunkeln weiter. Eines Tages kommen Entsandte der Domschule, um Johanna auf Empfehlung ihres Lehrers abzuholen. Der Vater überlistet sie und dreht ihnen stattdessen Johannes an. Nachts haut Johanna ab und holt sie ein. Ihre Leben auf der Schule beginnt. Doch nicht alle sind ihr wohlgesinnt. Als Frau hat sie es in dieser Umgebung sehr schwer. Einzig der Ritter Gerold, bei dessen Familie sie unterkommt, ist ihr Freund. Im Unterricht beweist sie ihre Fähigkeiten, auch wenn sich alle, ihr Bruder eingeschlossen, von ihr abwenden. Als Gerold, dem sie immer näherkommt, für einige Wochen fort reist, versucht dessen Gattin, die Gefahr im eigenen Haus unter die Haube zu bringen. Die Ehe wäre aber Johannas Ruin. Immerzu hat sie die Worte ihrer Mutter im Ohr, die ihr riet, sich niemals einem Mann hinzugeben. Schließlich kommt der Tag der Hochzeit. Er endet in einer Tragödie... Die Normannen fallen in die Kirche ein und veranstalten ein Blutbad. Johanna überlebt und nimmt die Identität ihres verstorbenen Bruders an. ALs Bruder Johannes wird sie im Kloster zu Fulda aufgenommen, wo sie sich hocharbeitet. Während einer Pestepedimie muss sie fliehen, damit bei einer Untersuchung ihre Identität nicht auffliegt. Ihr neues Ziel lautet Rom. Die Stadt liegt ihr schnell zu Füßen. Doch wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich die Finger...



"Sie hatte erkannt, daß sie niemals glücklich sein würde, falls sie ihr Leben in der eingeengten Welt der Frauen führen mußte.

(S.253)  

 



Wiedermal darf ich dieses wunderbare Gefühl erleben, das mich immer dann durchfährt, wenn ich hinter die überwältigende Fassade eines großen Klassikers blicke. Nun kenne ich sein Geheimnis und kann mir ein eigenes Urteil bilden. 
Das Buch hat mich über Wochen begleitet und das ist auch gut so, denn es ist harte Kost. Ich habe trotzdem immer sehr gern nach dem Buch gegriffen. Mit jeder Seite wurde es spannender. Vor allem da man allein schon an dem Cover erkennt, worauf es hinausläuft. Deswegen war man Non-Stop am spekulieren, wie es den aktuellen Begebenheiten zufolge zu solch einem krönenden Ausgang kommen könnte. Denn nicht alles läuft immer gut für die Frau im Männergewand. Und da im Verlauf immer weniger Seiten für die Wendung übrig bleiben, steigt auch die Spannung. 
Johanna und Gerold sind Engel. Ich habe, trotz der vielen Liebesgeschichten, noch nie von einer so reinen Liebe gelesen. Tugendhafter als die beiden könnte man kaum sein, vor allem so fortschrittliche und moderne Gedanken... Johanna hat einen messerscharfen Verstand. Würde es nicht ausreichend Zeugnisse geben, dass solche Menschen tatsächlich gelebt haben, hielt ich es für sehr unglaubwürdig. Die Gutmütigkeit der Protagonistin halte ich allerdings an der einen oder anderen Stelle tatsächlich für übertrieben. Leider gibt es hier auch oft eine scharfe Grenze zwischen Gut und Böse. Aber ansonsten war ich sehr positiv angetan.

Besonders der Schreibstil hat mich verzaubert. Die Autorin weiß wirklich, wie sie die Sprache anfassen muss. An dieser Stelle auch ein großes Lob an den Übersetzer, wobei die Autorin die Hauptleistung erbracht hat. Mir hat es zum einen richtig gut gefallen, wie authentisch die wörtliche Rede wirkte, nicht zuletzt wegen der zahlreichen lateinischen Phrasen. Aber auch die vielen bildlichen Beschreibungen haben einen Eindruck hinterlassen. Z.B. weiß ich noch, wie sich die Tische unter dem reichen Festmahl gebogen haben. Generell fand ich die Erzählperspektive sehr gut gewählt. Überwiegend war es ein*e personale*r Erzähler*in aus Johannas Sicht, nur wenige Male wurde aus gutem Grund davon abgewichen. Und immerzu wurde für die Leserschaft alles ausführlich beschrieben, die Landschaft, die Rituale und die Personen. Es hat richtig Spaß gemacht, in diese Zeit einzutauchen, sodass ich mir gesagt habe, dass ich zukünftig mehr Historienromane lesen möchte, die im frühen Mittelalter spielen.
Das Ganze hat natürlich nur so gut funktioniert, weil die Autorin sorgfältig recherchiert hat. Die Krönung war das Nachwort, das den Eindruck hinterlässt, dass es wahrscheinlicher ist, dass es Johanna wirklich gab als nicht. Ich habe Lust, mich weiter damit auseinanderzusetzen. Zunächst freue ich mich erst einmal auf die Verfilmung.



"'Hätte Gott etwas dagegen, daß wir die stoffliche Welt beobachten', erwiderte Johanna, 'warum hat er uns dann Augen gegeben, zu sehen, und Ohren, zu hören, und eine Nase, zu riechen? Es ist gewiß keine Sünde, uns dieser Geschenke zu bedienen, die Gott selbst uns gemacht hat.'
(S.314f.) 

 




Ein sehr intensiver Ausflug in die Vergangenheit mit düsterer Gesellschaft. Und ich liebe den Schreibstil!


 

"Wie seltsam die Liebe sein kann, ging es Johanna durch den Kopf. Da sah man einen Menschen viele Jahre nicht; man gewöhnte sich an den Gedanken, ihn verloren zu haben, und versöhnte sich mit dem Schicksal - und dann, in einem einzigen, unbewachten Augenblick, stiegen die Erinnerungen wieder auf und der Schmerz kehrte zurück, so rauh und scharf wie eine frische Wunde."
(S.383) 









"'Ich liebe dich!', rief Johanna im Augenblick der Ekstase, und die Worte waren keine Entweihung, sondern ein Sakrament." 
(S.507) 








"Verderbtes Kind! Du bist so tief in der Sünde versunken, daß es ein Wunder des Herrn ist, daß du noch nicht darin ertrunken bist."  
(S.80) 

 

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"Die Knospe einer Rose wächst im Dunkeln. Sie weiß nichts von der Sonne, doch sie reckt sich furchtlos in die Finsternis, die sie umgibt, bis die Hülle schließlich birst, bis die Rose erblüht und ihre Blätter im Licht entfaltet.
(S.131)  


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"Vielleicht hatte Lothar recht, und Gott hatte tatsächlich die Absicht, ihnen den Sieg zuzusprechen. Aber durfte Gott nicht auch ein kleines bißchen Hilfe von den Menschen erwarten?
(S.299) 

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"Römer, Langobarden, Germanen, Byzantiner und Moslems drängten sich auf den Straßen und Plätzen in einem bunten und erregenden Gemisch verschiedenster Kleidungen, Sitten und Sprachen. Vergangenheit und Gegenwart, Heidentum und Christentum waren ineinander verwoben und bildeten einen prachtvollen, farbenfrohen Wandteppich. In diesen uralten Mauern hatten sich das Beste und das Schlechteste, das Schönste und Häßlichste aus aller Herren Länder vereint.
(S.335) 


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"Es war so, als würde man eine Schreibtafel aus Wachs über ein Feuer halten: Was die Jahre geschrieben hatten, wurde aufgelöst und schmolz dahin, und sie beide standen wieder im Frühlingssonnenschein am Ufer des Flusses unterhalb des Hügels von Villaris, jung, übermütig, und glücklich über ihre neu entdeckte Liebe.
(S.402) 

 

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