Nicht ein Wort [Rezension]

 


"Kinder sind emotionale Spiegel, die die Gefühle ihres Umfelds wiedergeben."



Titel: Nicht ein Wort
Autor: Brad Parks
Übersetzung: Aus dem Amerikanischen von Irene Eisenhut
Verlag: Fischer
Seiten: 492
Erscheinungsjahr: 2018(2017)
ISBN: 978-3-596-29780-1
Genre: Thriller
Art: broschierter Einband



"TAG EINS ist der Tag, an dem man völlig unter Schock steht. TAG ZWEI ist der Tag, an dem man die Lage genau sondiert. Am TAG DREI liegt die eigene Welt zwar in Scherben, doch ahnt man langsam, dass sie sich trotzdem weiterdrehen wird, ob man es will oder nicht.
(S.115) 

 




Es hätte ein normaler Mittwochnachmittag werden sollen, an dem Bundesrichter Scott Sampson seine beiden Kinder Sam und Emma zum Schwimmen begleiten würde. Doch dann erreicht ihn eine SMS seiner Frau, die besagt, dass sie die beiden von der Schule abholt.
Als Alison später nach Hause kommt, sind die Kinder nicht bei ihr. Und sie hat auch keine SMS geschrieben.
Stattdessen klingelt das Telefon. „Ihre Kinder sind in unserer Gewalt!“ sagt eine Stimme. Wenn Scott sie wiedersehen will, hat er genaue Instruktionen in einem Drogenfall zu befolgen, der am nächsten Tag verhandelt werden soll.
Plötzlich steht das Schicksal seiner gesamten Familie auf dem Spiel, und Scott Sampson muss die schwerste Entscheidung seines Lebens treffen: Wird er Recht sprechen oder seine Familie retten?




"Auch wenn ich ihre Liebe nicht unbedingt verdiente oder sie verstand, hatte ich gelernt, sie als etwas für mich anzunehmen, das wie die Lichtgeschwindigkeit war: Eine mathematische Konstante, die mein Universum durchdrang.
(S.195) 





Wo soll ich anfangen? Vielleicht erstmal da, wo ich vor der Lektüre stand. Mit mir und Thrillern ist es nämlich immer so eine Sache. Ich würde sagen, dass ich in den meisten Monaten mindestens einen lese und trotzdem ist es nicht mein liebstes Genre. Bzw. habe ich besonders in dieser Abteilung hohe Ansprüche. Es ist aber auch sehr knifflig, einen Thriller zu einem guten Ende zu bringen... Das ist hier leider nicht der Fall. Ich mochte das Verhältnis, das der Lesende automatisch zu dem homodiegetischen Erzähler (Richter Samspon) aufbaut, nicht. Man fühlt sich diesem verpflichtet und auf der anderen Seite ist man in seinem Kopf gefangen. Das hört sich auf den ersten Blick interessant an, aber tatsächlich hat mich die Perspektive schon nach wenigen Kapiteln genervt. Und dabei gab es hier und da einen guten Ansatz eines unzuverlässigen Erzählers. Dieser wurde aber nie soweit ausgebaut, dass es von Belang wäre. Das finde ich schade. Denn den Fall an sich fand ich ziemlich trocken (Patentrecht). Es hat mich ziemlich schnell gar nicht mehr interessiert, wer hinter der Entführung und Erpressung steckt, denn die Verdächtigten waren alle nicht sonderlich überraschend. Auch die Auflösung hat mich nicht vom Hocker gerissen, sondern viel mehr meine Vermutungen bestätigt. Abgesehen davon, dass sie nicht gerade auf Plausibilität setzt. Ich habe mich an keiner Stelle gegruselt oder selbst unsicher gefühlt. Das Einzige, was ich aus diesem Roman mitnehme, ist, was ich über das Aktienwesen, Patentrecht und das Richteramt gelernt habe. Ich möchte nicht leugnen, dass ich die hier aufgegriffene Idee eigentlich sehr gut finde. Aber der Drops hatte sich durch die ständige und anstrengende Reflexion des Richters schnell ausgelutscht. Echt erstaunlich, wie gut er trotz seiner verrückten Urteile davonkommt. Ich hätte mir einen viel spannenderen Verlauf vorstellen können.
Als Tipp an Interessierte kann ich dazu raten, sich die Frage zu stellen, ob Gerichts-Thriller euer Ding sind. Diese sind meistens ruhiger und spielen zu einem großen Teil im Gericht. Spannend sind sie meistens auf ihrer philosophisch-rechtlichen Metabene und aufgrund der Machtlosigkeit bzw. Biegungsfähigkeit von Gesetzen und richterlichen Beschlüssen. Hier ist die Sache insofern anders, als dass man trotz Gerichtssetting die Hintergründe nicht kennt. Außerdem wird es hier und da auch actionreich und man fiebert um enführte Kinder. Also eigentlich super viel Potential. Tja, es wurde nicht genutzt, würde ich sagen. 



"Dann endete das Video. Laut dem Zählwerk am unteren Rand dauerte es genau auchtunddreißig Sekunden. Ich schwöre, danach war ich um hundert Jahre gealtert."
(S.270)




Total vorhersehbar und lahm. Aber trotzdem guter Einblick in die Fallstricke des Richteramts und die Anwendung eines Falls im Patentrecht.

 

"Wir begreifen irgendwann alle einmal, dass das Leben ein Geschenk und keine Garantie ist. Und dass es nur auf eine Weise endet. Doch normalerweise erfolgt diese Erkenntnis sehr viel später im Leben."
(S.215)








Eine funktionsfähige Waffe im Haus stellte für Kinder eine weitaus größere Gefahr dar als alles andere, was draußen auf sie lauerte."  
(S.33)









"In unserem Land liegt die Inhaftierungsrate etwa siebenmal höher im Vergleich zu anderen demokratischen Staaten. Sie übertrifft sogar noch die der Sowjetunion zu Stalins Zeiten. Das lässt unweigerlich den Eindruck aufkommen, dass mit einer Gesellschaft etwas nicht stimmen kann, die denkt, so viele Bürger in Käfige einsperren zu müssen.
(S.50)

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"In mancherlei Hinsicht gehen Schwestern miteinander am härtesten um. Sie kennen die Marotten und Fehler des anderen, so wie Eltern, besitzen aber nicht deren unendliche Fähigkeit, zu lieben und zu verzeihen. Sie beurteilen sich gegenseitig viel strenger.
(S.92)

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"Offensichtlich kannte sie jenen Teil der Wald-und-Wiesen-Psychologie, der besagte, dass Menschen mit einem großen, offenen Raum im Hintergrund mächtiger erschienen als Menschen, die vor einer Wand saßen.
(S.224)


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"Irgendwo in ihnen wüteten bösartige Zellen und versuchten, sich ihrer Körper zu bemächtigen. Währenddessen gab sich die moderne Medizin alle Mühe, sie zu verscheuchen, und setzte dafür Mittel ein, die zukünftige Generationen sicher für barbarisch halten würden - Bestrahlungen, Chemotherapie, chirurgische Eingriffe.
(S.358f.)


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