Der Junge, der das Universum verschlang [Rezension]

 


"Vielleicht sind alle Menschen manchmal gut und manchmal schlecht. Es ist einfach eine Sache des Timings." 



Titel: Der Junge, der das Universum verschlang
Autor: Trent Dalton
Übersetzung: Aus dem Australischen von Alexander Weber
Verlag: HarperCollins
Seiten: 318
Erscheinungsjahr: 2021 (2019)
ISBN: 978-3-7499-0141-8
Genre: Aus dem Leben gegriffen, krit. Unterhaltung, Roman des Lebens
Art: fester Einband


"'Weißt du, was mir in all den Jahren, in denen ich die Klappe gehalten habe, klar geworden ist?' 
'Was denn?' 
'Das meiste, was die Leute reden, muss gar nicht gesagt werden.' 
(S.250) 

 

"Dein Ende ist ein toter blauer Zaunkönig.
'Hast du da gesehen, Slim?'
'Was denn?'
'Ach, nichts.'
Dein Ende ist ein toter blauer Zaunkönig. Kein Zweifel. Dein. Ende. Ist. Ein. Toter. Blauer. Zaunkönig. 





Brisbane, 1983: Wie wird man zu einem guten Menschen? Diese Frage treibt den 11-jährigen Eli Bell um. Auf den ersten Blick hat er nicht gerade die besten Vorbilder um sich herum: Die Mutter und der Stiefvater dealen mit Heroin, sein großer Bruder Gus spricht nicht mehr, sein Vater glänzt durch Abwesenheit und sein Babysitter ist ein hartgesottener Exhäftling. Doch zwischen den Drogen und dem Schmutz erfährt Eli zärtliche Liebe, aufrichtige Freundschaft und die Magie seiner Phantasie. Elis Welt gerät erst ins Wanken, als der Cartellboss Tytus Broz in sein Leben tritt und die Familie auseinanderreißt.
Während Eli heranwächst, wird er weiter mit der Frage kämpfen, ob aus einem schlechten Menschen doch noch ein guter werden kann; er wird in das berüchtigte Boggo Road Goal-Gefängnis einbrechen, um seine Mutter an Weihnachten zu besuchen; er wird durch seine Briefe ins Gefängnis einen wichtigen Freund gewinnen und aus Versehen mitten in einer Schießerei zwischen zwei Gangs landen; er wird einen Karriereweg finden, der nichts mit Drogen zu tun hat. Und er wird sich verlieben.



"Das mit der Perspektive ist schon eine komische Sache. Die Welt kommt einem einfach anders vor, wenn man vom Grund eines Erdlochs hochschaut. Das Leben, aus einer Jauchegrube betrachtet. Ein Trost bleibt uns wenigstens - von hier aus kann es nur noch aufwärts gehen.
(S.43) 




Ich hatte das Vergnügen, die letzten zwei/drei Wochen mit diesem hübschen Buch verbringen zu dürfen. Und ich muss sagen, dass es mich intensiv beschäftigt hat. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es sehr viele Song-Verweise gibt und ich schon nach einigen Kapiteln eine Playlist zusammengestellt hatte, die sich sehen lassen kann. Die habe ich dann immer beim Lesen gehört und was soll ich sagen: Sie hat wie die Faust aufs Auge gepasst. Ich liege wohl nicht falsch, wenn ich behaupte, dass ich die Geschichte gefühlt habe. Wichtige Stichpunkte, die einem helfen, die Handlung einzusortieren, sind: 80'er Jahre, Brisbane (Australien), Drogen, schwere Kindheit, große Träume, Traumata. Und eine blühende Phantasie.

Worauf man sich auf jeden Fall auch einstellen sollte, sind die vielen dreckigen Bilder, die durch die Erzählung heraufbeschworen werden. Mir haben sich die Zehennägel gekräuselt, wenn das Elend beschrieben wurde: In Form von blutigen Szenen, schmutzigen Orten, Ungeziefer... Unverhofft kommt oft. Ich finde es eine sehr starke Leistung, wenn ein Autor es vollbringt, dass die Leser*innen nicht nur mitfühlen, sondern das Leid teilen, weil sie vermeintlich dasselbe sehen wie der Erzähler. Ein Film hätte es kaum plastischer vermitteln können. Apropos: Ich warte nun auf die Verfilmung! Es war sogar, als ob Gerüche und andere Eindrücke durch die Seiten zu mir gelangt sind.

Dadurch wird auch der Umstand aufgewogen, dass der Zauber im letzten Drittel nachgelassen hat. Da hat mich die Geschichte ein wenig verloren. Es kam zu viel zusammen und dafür, dass es am Anfang noch so glaubwürdig war, gab es zu viele Fügungen. Allerdings war es deswegen auch bis zuletzt spannungsgeladen und ich denke, dass ein anderes Ende es auch nicht hätte viel besser machen können. Nun gut, man könnte den Verlauf "Schema F" nennen, aber genau das ist es, was die Besonderheit dieses Romans ausmacht: Die Anbindung an die Biographie des Autoren und das Spiel mit Überhöhung der Wirklichkeit. Ja, es gibt unerklärliche Begebenheiten und teilweise zu viel Pech oder Glück, um in unsere Vorstellung der Realität zu passen. Aber dennoch fühlt es sich die ganze Zeit echt an. Fiktionalität und Wirklichkeit lassen sich nicht trennen. Manche Dinge lassen sich nur poetisch verklärt ausdrücken.

Womit wir bei der Sprache wären. Diese ist bis auf einige hoch poetische Phrasen, wozu auch der Titel gehört, ziemlich klar. Für meinen Geschmack hätte es diese Phrasen nicht gebraucht. Sie wirkten teilweise deplatziert und zu sehr gewollt, aber ich muss dennoch zugeben, dass sie dem Buch eine zusätzliche Würze verliehen haben. Zusammen mit dem Phänomen des Wörter-in-die-Luft-Schreibens kann man es so stehen lassen.

Ich glaube, dass ich Eli, seine Familie und Freunde vermissen werde. Obwohl die beschrieben Szenen und das Setting an Derbheit kaum übertroffen werden können, habe ich mich sehr wohl gefühlt. Alle Interessierten seien dennoch gewarnt, dass es teilweise sehr heftig zugeht: Gewalt, Kriminalität, Sucht, Vernachlässigung... Aber betrachtet man das Ganze aus einer anderen Perspektive, wird auf einmal eine schöne Coming-Of-Age-Geschichte daraus, die einem die Hoffnung vermittelt, dass man letztendlich auch hinter dem dunkelsten Tunnel Licht finden kann und es auf die Liebe ankommt, die man vor allem während des Aufwachsens teilt.
Don Giovanni
Michael Jackson ~ Smooth Criminal
Michael Jackson ~ Rock with you
Michael Jackson ~ Beat it
Michael Jackson ~ Billie Jean
The Beatles ~ Yesterday
The Beatles ~ Hey Jude
The Beatles ~ Come Together
The Beatles ~ Twist and Shout
Elvis Presley ~ Burning love
Elvis Presley ~ Jailhouse Rock
Elvis Presley ~ Suspicious Minds
Elvis Presley ~ Can't help falling in love
The Rolling Stones ~ Ruby Tuesday
The Rolling Stones ~ Yesterday's Papers
The Rolling Stones ~ Let's spend the Night togester
The Rolling Stones ~ Connection
The Rolling Stones ~ She smiled sweetly
The Rolling Stones ~ All sold out
The Rolling Stones ~ My Obsession
The Rolling Stones ~ Who's been sleeping here?
The Rolling Stones ~ Complicated
The Rolling Stones ~ Miss Amanda Jones
The Rolling Stones ~ Something happened to me Yesterday
The Rolling Stones ~ Paint it, Black
Frankie Valli & The four Seasons ~Big girls don't cry
Frankie Valli & The four Seasons ~ Yes Sir, THat's my Baby
Frankie Valli & The four Seasons ~ Peanuts
Frankie Valli & The four Seasons ~ La Dee Dah
Frankie Valli & The four Seasons ~ Teardrops
Frankie Valli & The four Seasons ~ Apple of my Eye
Frankie Valli & The four Seasons ~ Never on Sunday
Frankie Valli & The four Seasons ~I can't give you anything but love
Frankie Valli & The four Seasons ~ The Girl in my Dreams
Frankie Valli & The four Seasons ~ Oh! Carol
Frankie Valli & The four Seasons ~ Lost Lullaby
Frankie Valli & The four Seasons ~ Sherry
The Righteous Brothers ~ Unchained Melody
Johnny Cash ~ You are my Sunshine
Carpenters ~ Calling Occupants of interplanetarian...
Bee Bees ~ New York Mining Desaster 1941
TV Themes ~ Different Strokes
INXS ~ Beautiful Girl
INXS ~ Mystify
Led Zeppelin ~ Stairway to Heaven
Liam Clancy ~ And the Band played Waltzing...
The Doors ~ Light my fire
The Doors ~ The Crystal Ship
Van Halen ~ Panama
The Everly Brothers ~ Let it be me
Rod Stewart ~ Sailing
Bob Dylan ~ Make you feel my Love
Cold Chisel ~ When the war is over
The Replacements ~ Can't hardly wait
The Replacements ~ Gary's got a Boner
B.J. Thomas ~ Hooked on a feeling
The Cure ~ Disintegration


"Es war August, der mir beibrachte, dass ich nicht immer zuhören musste. Manchmal muss man einfach nur richtig hinsehen." 

(S.17f.)

 



Das Buch, das die Lesenden verschlang... Ein ganzheitliches Leseerlebnis mit viel Charme. Hier und da aber meiner Meinung nach zu aufgesetzt poetisch!

 

"Morgen wird der wichtigste Tag deines Lebens sein. Jeder Tag deines bisherigen Lebens läuft auf den morgigen hinaus. Aber natürlich lief auch jeder Tag deines bisherigen Lebens auf heute hinaus."
(S.476)







"Wahre Liebe verlangt von den Liebenden, alles zu vergessen, was sein könnte, und sich mit dem zu begnügen, was ist.
(S.27)







"Und dann meinte er, dieser Fleck an meinem rechten Zeigefinger sei mein Zuhause."  
(S.14)

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"August ist ein Jahr älter als ich, aber August in ein Jahr älter als alle. August ist ein Jahr älter als das Universum.
(S.19)


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"Die übelste Art von Junkie ist die, die nicht wahrhaben will, dass sie die übelste Art von Junkie ist.
(S.33)

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"Anscheinend bemisst jeder die erwachsenen Männer in meinem Leben danach, wie gut sie sind. Ich nicht. Ich bemesse sie nach Kleinigkeiten. Erinnerungen. Danach, wie oft sie meinen Namen gesagt haben.
(S.71)

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"Wir leben im großartigsten Land der Welt, sagte sie, aber im Grunde unseres Herzens sind wir alle tottraurig, und der Stoff lindere diese Trauer, und das Drogengeschäft werde nie aussterben, weil die australische Traurigkeit nie aussterben werde.
(S.73)


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"Weißt du, Alex, was ich mir überlegt habe? Ich glaube, dass man jedes Problem, jedes Verbrechen, das jemals begangen wurde, auf den Dad von irgendjemandem zurückführen kann.
(S.100)


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"Kreisläufe, Slim. Alles wiederholt sich, Slim. Je mehr sich verändert, desto mehr bleiben die Dinge so beschissen, wie sie sind.
(S.465)


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"Es würde mich nicht wundern, wenn dein größtes Problem in Wahrheit darin bestünde, dass du zu viele Dinge auf einmal denkst.
(S.426)


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