Strafe [Rezension]

 


"Wenn alles still ist, geschieht am meisten"   
(Søren Kierkegaard)  




Titel: Strafe
Autor: Ferdinand von Schirach
Verlag: Luchterhand
Seiten: 189
Erscheinungsjahr: 2018
ISBN: 978-3-630-87538-5
Genre: Kurzgeschichten, kontrovers
Art: fester Einband



"Ich habe mal einen Film gesehen, in dem die Leute immer sagen: Es ist nichts Persönliches. Das habe ich nicht verstanden, denn das ganze Leben ist doch persönlich.
(S.36) 

 

"Katharina wuchs im Hochschwarzwald auf.





Es werden insgesamt zwölf Kurzgeschichten, die sich auf das Abstraktum Strafe anwenden lassen. So weit ich weiß, sind sie alle rein fiktiv. Dazu gehören:

Die Schöffin
Die falsche Seite
Ein hellblauer Tag
Lydia
Nachbarn
Der kleine Mann
Der Taucher
Stinkefisch
Das Seehaus
Subotnik
Tennis
Der Freund

"Der Haftbefehl gegen den Angeklagten wurde aufgehoben, er wurde entlassen. Vier Monate später schlug er den Kopf seiner Frau mit einem Hammer ein.



Das erste, was Viellesern bei Schirachs Büchern auffallen wird, ist die große Schrift. Ist es eine Freundlichkeit den Lesern gegenüber? Hat die Zielgruppe das nötig? Oder soll damit das Buch gestreckt werden? Ich würde nicht sagen, dass es mich gestört hat. Wahrscheinlich ist es zwischendurch auch ganz gut für die Augen. Aber man muss öfter umblättern :D. Da sind wir auch schon bei der Besonderheit in Schirachs Werken angelangt: Sie sind nicht dick, aber zwischen den Zeilen steht so viel. 
Der Schreibstil an sich ist sachlich gehalten. Man wird vergebens nach normativen Weisungen und emotionaler Nähe suchen. Die Sicht ist neutral, die Einsicht wirkt trotzdem persönlich, aber Gedanken bleiben uns vorenthalten. 

Jede Geschichte hat eine besondere Note und lässt einen Blick in das Gerichtswesen zu, den man so noch nicht gesehen hat. Es werden 12 Fragen an das Strafvollzug aufgeworfen. Sind da etwa Lücken im System? Moralische Ungereimtheiten? Genug Gesprächsstoff verursacht das Buch allemal. 
Es könnten wahre Begebenheiten sein, so plastisch sind die Szenen und Figuren beschrieben. Und immer wieder, so einfach die Geschichten auch gewinnen, gibt es spätestens einen schlauen Kniff, der einem einen Hinweis gibt, warum gerade dieses Geschichte in der Sammlung auftaucht und unter dem Wörtchen "Strafe" aufgeführt werden kann.

"Mit der Geburt hatte sich alles verändert. Ihr Mann war im Kreissaal gewesen, er hatte es so gewollt. Der Arzt achtete nicht auf ihn. Später erfuhr sie, dass ihr Mann zugesehen hatte, wie sich ihre Vagina öffnete, dass er ihr Blut, ihren Urin und ihren Kot gerochen haben musste." 




Jede einzelne Geschichte konnte mich für sich einnehmen, ließ mich über das Strafgesetz den Kopf schütteln und dazu noch baff zurück!


"Er schlief auf dem Sofa in der Kanzlei und duschte in einem winzigen Bad hinter der Teeküche. Seine Sekretärin hatte er entlassen. Er hielt sich längst für einen verkommenen Menschen."






"Es ist ganz gleich, ob wir Apotheker oder Tischler oder Schriftsteller sind. Die Regeln sind immer ein wenig anders, aber die Fremdheit bleibt und die Einsamkeit und alles andere auch.
(S.189)






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