Das blaue Mädchen [Rezension]

 


"Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?" 



Titel: Das blaue Mädchen
Autor: Monika Feth
Verlag: Bertelsmann
Seiten: 248
Erscheinungsjahr: 2001
ISBN: 3-570-12636-6
Genre: Jugendbuch, Schullektüre, krit. Unterhaltung
Art: fester Einband


"Es gab Dinge, die reduziert nicht denkbar waren. Freiheit. Freundschaft. Liebe.
(S.166) 


"Die Stille war schrecklich. Sie schien von dem Sonnenlicht, das durch die hohen Fenster fiel und sich bunt auf dem hellen Granitboden brach, noch verstärkt zu werden





Während Mara und Jana mit strengen Regeln und unter ständiger Beobachtung aufwachsen, hat Marlon in derselben Stadt eine ganz andere Kindheit erlebt. Alle drei sind um die achtzehn Jahre alt.
Mara und Jana sind Kinder des Mondes. D. h. sie gehören einer Sekte an, in der die Kinder von den Eltern getrennt in der Gemeinschaft aufwachsen. Alle sind eine große Familie, tiefe Bindungen zu einzelnen sind nicht erlaubt. Trotzdem sind die beiden Zimmernachbarinnen beste Freundinnen. So vermisst Jana Mara sehr, als diese ins Strafhaus muss, weil sie zusammen mit ihrem Freund, auch ein Kind des Mondes erwischt wurde. Sie wurden zwar füreinander ausgewählt, trotzdem sind Intimitäten nicht gestattet. Dazu kommt, dass Mara ihre eigene Gemeinschaft schon länger mit kritischen Augen betrachtet. 
Jana versucht sich an die Regeln zu halten und trotzdem auch ihren Liebsten loyal zu sein. Sie hat Schwierigkeiten, klar zu sehen. Eine Vertraute hat sie auch in der Bibliothekarin der Kinder des Mondes und in einer vierjährigen aus dem Kinderhaus, in dem sie hin und wieder arbeitet. Aus der Gemeinschaft raus zu den "normalen" Jugendlichen kommt sie praktisch nie.
Nur manchmal sieht sie einen Jungen auf seinem Roller vorbeifahren. Marlon. Ihm ist dieses eine Mädchen aus der Sekte in der typischen blauen Kleidung aufgefallen. Er liebt es zu fotografieren und hat sie einmal auf einem seiner Streifzüge eingefangen. Sie macht ihn neugierig. Er möchte mehr über sie erfahren...

"Romeo und Julia, dachte er, getrennt von einer unüberwindlichen Mauer. Und das Furchtbarste an dieser Mauer war, dass sie sich in den Köpfen aufgerichtet hatte.
(S.186 f.) 



Ich habe mir das Buch bei einer Freundin ausgeliehen, die es mir wärmstens empfohlen hat. Es handelt sich um ein Jugendbuch. Sie selbst hat es in der fünften oder sechsten Klasse gelesen. Da ich Sekten und andere abgeschottete Gemeinschaften schon immer sehr spannend fand, hat mich der Klappentext sogleich neugierig gemacht. 

Wenn du dieses Buch als erwachsene Person liest, solltest du unbedingt berücksichtigt, dass die Handlungsstränge ziemlich einfach gehalten sind und die Farbpalette auch nicht viele Grauzonen zulässt. Das Bild, das auf die Sekte geworfen wird, ist nicht schwer zu deuten. 
Und dennoch finde ich den Entwurf der exemplarischen Sekte gelungen. Das Bild der Kinder des Mondes  ist sehr metaphorisch und poetisch. Natürlich sind einige Darstellungen überzeichnet, aber im Bezug auf die Zielgruppe finde ich das nicht weiter schlimm.

Durch die Innensicht der drei Perspektiven Jana, Mara und Marlon fühlte ich mich den Protagonisten die meiste Zeit nah. Und trotzdem waren sie durch die komplett andere Lebensführung auch meilenweit entfernt. Diese Mischung aus Nähe und Distanz fand ich gut eingestellt :).

Wer auch schon die Erdbeerflücker-Reihe der Autorin gelesen hat, der wird den Schreibstil wahrscheinlich wiedererkennen, oder zumindest das Gefühl haben, zu etwas alt Bekanntem zurückzukehren. So ging es mir. Diese typische, authentische Innensicht bei gleichzeitiger Außensteher-Position des Erzählers... Genau das Richtige für psychologisch fordernde Romane.
Ich habe übrigens Unmengen an schönen Zitaten gefunden, wie hier unschwer zu erkennen ist. Ich hätte tatsächlich das ganze Buch abtippen können. In der Menge finde ich es fast schon kritisch, da die schönen Passagen so an Wert verlieren. So schwer hat es mir hier aber nicht aufgesessen.

Was ich aber tatsächlich schade finde, ist, dass das Ende so abrupt kommt. Ich hätte mir gewünscht zu erfahren, wie es weitergeht. Das hätte ermöglicht, auch die Schattenseiten eines Sekten-Austritts zu beleuchten. Z.B. bedeutet es für die jugendlichen oft, dass sie mit der Familie komplett brechen müssen. In einer Sekte wie der hier skizzierten mag das nicht so dramatisch scheinen. Aber man muss bedenken, dass das doch die Menschen sind, die Jana und Mara Tag für Tag gesehen haben.

Einen Punkt möchte ich noch ansprechen: Das Buch eignet sich hervorragend als Schullektüre. Allerdings sollte man sich dann auch informieren, ob man SuS in der Klasse hat, die sich durch die Lektüre verletzt fühlen könnten. Und die Thematik reißt ein großes Feld auf, auf dem man die SuS keinesfalls allein stehen lassen sollte. 


"'Ich bin froh, dass es dich gibt', sagte Jana. 

Gertrud strich ihr das Haar aus der Stirn.  
'Manche Dinge müssen wir uns nicht sagen, Jana. Weil wir sie wissen.
'" 

(S.197)



Super für den Schulunterricht geeignet, aber ich hätte gern gewusst, wie es weitergeht!


"Sie wünschte, Gedanken hätten die Kraft von Berührungen. Vielleicht wäre ihr dann weniger kalt."
(S. 97)







"Später. Wenn es eine Meisterschaft im Aufschieben von Träumen gäbe, würde er sie gewinnen.
(S.113)






"Ohne Geld und ohne Papiere bist du nichts in der Welt da draußen."  
(S.175)

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"Waren Mütter nicht dazu da, ihre Kinder zu beschützen? Sie zu trösten, wenn sie Trost brauchten? Sie zu pflegen, wenn sie krank waren? Ihnen Mut zu machen, wenn sie Angst hatten?
(S.122)

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"Wie kann man erwarten, dass sie miteinander liebevoll umgehen, wenn sie Bücher schlecht behandeln? Bücher sind wie Kinder. Sie brauchen Aufmerksamkeit und zärtliche Hände.
(S.45)

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"Maras einzige Schuld war es, sich zu verlieben. Dafür wird sie bestraft. Wenn aber La Lune, wie es im Buch heißt, die Liebe ist, wie kann sie Mara dann für die Liebe bestrafen?
(S.43)

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"Man konnte in ihrem Gesicht Reste früherer Schönheit entdecken. Wenn sie lachte, war es, als sprenge das Lachen die Jahre weg.
(S.42)

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"Das Leben hinterlässt nun mal seine Spuren. Die kann man nicht einfach mit einem großen Radiergummi wegrubbeln.
(S.41)

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"Es konnte jeden treffen. Keiner war sicher davor, Schuld auf sich zu laden.
(S.35)

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