Offline [Rezension]

 


"Eingeschneit in einem abgelegenen Hotel in den Bergen" 



Titel: Offline
Autor: Arno Strobel
Verlag: Fischer
Seiten: 364
Erscheinungsjahr: 2019
ISBN: 978-3-596-70394-4
Genre: Thriller
Art: broschierter Einband

"Das Problem ist, dass Psychopathen ihre Phantasien selten auf der Stirn stehen haben.
(S.103) 

 

"Sie dreht das heiße Wasser ab und bleibt noch einen Moment mit geschlossenen Augen stehen, spürt, wie die Nässe über ihre Haut läuft, bis nur noch eine schnell kalt werdende, dünne Schicht übrig ist. 





Elf Menschen machen sich zusammen auf, um in einem abgelegenen Hotel in den deutschen Bergen eine Digital-Detox-Phase auszuprobieren. Unter ihnen ist auch Jenny mit dreien ihrer Mitarbeiter. Sie arbeiten für eine Telekommunikationsfirma, deren Chef von dem Reiseunternehmen Triple-O-Journey angefragt wurde, ob nicht einige seiner Mitarbeiter das neue Angebot wahrnehmen wollen, wo sie doch den ganzen Tag vor dem Rechner oder Smartphone sitzen.
So kommt es, dass sie zusammen mit Reiseleiter und Bergführer eine lange und kräftezehrenden Wanderung zu dem teils noch unrenovierten und einsamen Hotel machen, in dem sie die nächsten fünf Tage verbringen sollen - abgeschieden von der Welt, auch im digitalen Sinne. Außer ihnen befinden sich dort noch zwei Hausmeister.
Kaum sind sie angekommen, bricht ein gewaltiger Schneesturm an, der sie nach und nach einschneit und im Hotel einsperrt. Und am ersten Morgen wartet noch eine ganz andere böse Überraschung auf sie, denn einer von ihnen erscheint nicht zum Frühstück und ein anderer im Hotel scheint nicht der zu sein, als der er sich ausgibt...

"So viel also zum ersten Abend ohne Handy und die Verheißungen des World Wide Web. Das kann ja spannend werden. Ich sehe uns schon in drei, vier Tagen, voll auf Entzug, eine unglaubliche Szene jagt die nächste, so krude und absonderlich, dass man sich an einem Ort wähnt, wo man jeden Moment mit Schwester Monika und ihrem Lockruf der Medikamentenausgabe rechnen muss.
(S.64) 



Das erste Buch von Arno Strobel, das ich mir vorgenommen habe und was soll ich sagen: Ich bin begeistert! Ich hätte nicht gedacht, dass ich so mitfiebern würde. 
Es fängt eigentlich schon beim Prolog an, der eine unstillbare Neugier beim Leser entfacht. Aber schneller, als wir uns die gruselige, psychopathische Situation erklären können, verlassen wir die Szene auch schon wieder und befinden uns am Anfang einer ungewöhnlichen Reise: Eine Gruppe aus scheinbar bunt zusammengewürfelten Personen lernt sich kennen, um zusammen eine Digital-Detox-Phase durchzumachen. Und das nicht irgendwo, sondern in den Bergen und zugeschneit in einem verlassenen Hotel noch dazu. 
Allein für dieses erstklassig gewählte Kulisse gibt es schon eine erstklassige Bewertung.

Darauf ruht sich der Autor aber nicht aus, rasant geht es weiter: Denn jede der Personen im Hotel hat eine Vergangenheit und als dann ein Verbrechen geschehen ist (grausamer als du es dir jetzt vorstellen wirst, wenn du keine Ahnung hast), wird ein jeder verdächtigt. Denn: Das Hotel ist ja eingeschneit und wenn sich in den entlegensten, unrenovierten Ecken kein Fremder verbirgt, muss es einer von ihnen sein. Und noch schlimmer: Der Schneesturm scheint kein Ende zu nehmen, deswegen sind sie auch noch mit ihm eingesperrt. Die nächste Nacht wartet schon...

Es fällt mir schwer, nicht zu viel vorwegzunehmen, aber Arno Strobel hat das Thema des Buches "Offline" wirklich erstklassig umgesetzt, sodass mir jetzt noch eine Gänsehaut über den Körper läuft: Der Psychopath richtet wirklich grausames Werk an und ich musste immer wieder innehalten und mir vorstellen, ich wäre in der Lage der Opfer... Ein schreckliches Gedankenexperiment. Und immer wenn es abends wurde in der Geschichte, lief auch mir ein Schauer über den Rücken. 
Ich gebe es zu: Ich habe versucht, möglichst bei Tageslicht weiterzulesen. Aber weil es so spannend war, habe ich es nicht immer geschafft. Allerdings war der Film, der mir beim Lesen vor Augen lief, so eindrucksvoll, dass ich es nachts nach ein paar Seiten wieder weggelegt habe und unter die Decke gekrochen bin. 

Dieses Buch sollte unbedingt verfilmt werden. Es erinnert ein bisschen an Shining von Stephen King und auf der anderen Seite, das mag jetzt etwas unerwartet kommen, an Hunger Games, denn auch hier spielt ähnlich wie in der Arena die Frage eine Rolle: Wem kann ich vertrauen? Einer muss es schließlich gewesen sein und das Schlimme: Ein anderer wird womöglich das nächste Opfer.

Ich würde mich jetzt gerne auch lobend zu dem Schreibstil äußern, allerdings kann ich das nicht. Angesichts der krassen Spannungskurve ist dieser eher in den Hintergrund gerückt. Die Tatsache aber, dass er diese vermitteln konnte, spricht für ihn.
Die Perspektive kann ich nur lobend hervorheben. Wir sind meistens in der personellen Sicht Jennys gefangen, manchmal aber auch in der anderer Personen. Aber trotzdem bleibt der Erzähler größtenteils neutral, weswegen auch wir nicht wissen, was Jenny weiß. Auch bei uns rattern die Verdächtigungen. Nur manchmal, in ganz besonderen Momenten, gewinnen wir die Innensicht von bestimmten Personen. Mehr nicht dazu.

Eine Sache hat mir nicht so ganz gefallen: Die Auflösung. Das ist leider Standard bei so guten Thrillern und auch wirklich viel verlangt. Deswegen soll es nicht in die Bewertung einfließen. Aber nachdem man mit den Leuten aus der Reisegruppe mitgefiebert hat, ja gefühlt das Gleiche beim Lesen durchgemacht und sich vor einer unbekannten, geisteskranken Person gefürchtet hat, ist eine rationale, weltliche Erklärung oft ernüchternd. Und wenn diese dann auch noch um drei Ecken gedacht ist, wirkt sie schnell konstruiert. Andererseits: Welche Erklärung würde schon eine so grausame Tat rechtfertigen?

Ich jedenfalls bin jetzt auf den Strobel-Zug aufgesprungen. Was ich übrigens an dem Thriller auch noch herausragend fand, ist, dass es wirklich Sympathie-Träger gab. Anker, bei denen man sich, auch wenn man ihre Unschuld nicht beweisen konnte, sicher gefühlt hat. Das ist ja auch nicht selbstverständlich in diesem Genre.


"Ich bin gespannt, ob ich ohne mein Handy schlafen kann." 

(S.64)



Es gab Momente, in denen ich den Atem angehalten habe und mein Herz fast stehen geblieben ist!

"Etwas anderes fällt ihr ein. Sie wollte für eine Weile nicht erreichbar sein. Das hatte sie jetzt gründlich geschafft. Haha. "
(S.161)





"Wie auch immer, ich weiß eines sicher: Wenn wir hier rauskommen, mache ich keinen Schritt mehr ohne mein Smartphone.
(S.286)






"Hast du schon mal von einem Verrückten gehört, der weiß, dass er verrückt ist?"  
(S.198)

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"Es bedeutet lediglich, dass in einem der Köpfe, die im Moment in diesem Hotel herumgetragen werden, eine ganze Menge Sicherungen durchgebrannt sind.
(S.211)

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"Hundertfünfzig Millionen Spermien, und du hast gewonnen?
(S.224)

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"Warum, zum Teufel, schaffte sie es immer wieder, so... oberlehrerhaft zu klingen, obwohl sie nur ihre Meinung sagen wollte? Selbst unwichtige Dinge hörten sich bei ihr oft an, als hätte sie dabei den Zeigefinger erhoben.
(S.61)

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"Es wird mit ziemlicher Sicherheit ihr letzter Versuch sein, aber den muss sie noch unternehmen. Dann ist alles egal. Dann kann sie sterben. Dann möchte sie sterben.
(S.333)

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