Sturmhöhe [Rezension]
Titel: Sturmhöhe Autor: Emily Bronte Verlag: Coppenrath Seiten: 271 Erscheinungsjahr: 2019 (1847) Illustrationen: Marjolein Bastin ISBN: 978-3-649-63235-1 Genre: Historienroman, Klassiker Art: gebundener Einband
Mr. Lockwood ist der neue Pächter auf dem Anwesen Thuscross Grange und stattet seinem Vermieter auf Wuthering Heights einen Besuch ab, wird dort aber alles andere als Willkommen geheißen. Es ist dort dunkel und grau und die Bewohner sind unfreundlich. Zu Ihnen gehörte neben dem mürrischen Vermieter Heathcliff ein alter Knappe namens Joseph, der unentwegt fluchte, ein jüngerer Bursche namens Hareton Earnshaw und eine junge Dame, die sehr unglücklich aussieht und schweigt. Abends auf Thuscross Grange erfährt er von der Haushälterin Mrs Dean, wie es zu der seltsamen Personenkonstellation im Hause des nächsten Nachbarn gekommen war: Die beiden Kinder des Herrn Earnshaw, Hindley und Catherine, freuen sich schon auf die Rückkehr des Vaters, weil er ihnen ganz bestimmt tolle Geschenke mitbringt. Nie im Leben hätten sie damit gerechnet, dass er einen fremdartig aussehenden, verlumpten und von oben bis unten verdreckten Jungen mitbringen würde. Das sollte ihr neuer Bruder sein? In Hindley erwächst in den nächsten Jahren eine unheimlich große Eifersucht gegen Heathcliff, der des Vaters neuer Liebling zu sein scheint, während Catherine eine immer inniger werdene Freundschaft zu dem Jungen pflegt. Als der Vater schließlich stirbt, übernimmt Hindley den Hof und kommt mit seiner neuen Frau zurück nach Wuthering Heights. Heathcliff wird unter seiner Vormundschaft zum Stallburschen degradiert. Inzwischen bindet diesen viel mehr an Catherine als bloße Freundschaft. Auf Thruscross Grange leben zu dieser Zeit die Lintons mit den beiden Heranwachsenden Edgar und Isabella. Catherine freundet sich zum Unmut Heathcliffs mit den beiden, aber vor allem mit Edgar an, der ihr den Hof macht und schließlich um ihre Hand anhält. Da Hindley Earnshaw den Hof nach dem Tod seiner Frau bei der Geburt ihres Sohnes Hareton vollkommen verwahrlosen lässt, verspricht sich Catherine von der Heirat eine frohe Zukunft und hofft auch, Heathcliff so aus der Knappenschaft zu befreien. Kaum ist sie nach Thruscross Grange gezogen, zieht Heathcliff spurlos von Dannen, bis er schließlich einige Jahre später bei den Lintons auf der Matte steht und kaum wiederzuerkennen ist in seinem feinen Aufzug... "Letzte Nacht war ich auf der Schwelle der Hölle. Heute seh ich meinen Himmel vor Augen. Ich blicke hinein- er ist keine drei Schritte entfernt von mir." Nun, wie ihr sehen könnt, hatte ich das Vergnügen mit einer besonders schmucken Ausgabe. Sie ermöglicht das erlebende Lesen ohne große weitere Mühe dank der vielen kleinen Extras und der lieblichen Illustrationen. So gibt es z.B. eine Karte von West Yorkshire, eine Kurzbiografie der Autorin, kleine Infotexte zur Fauna und Flora in den Mooren, einen Familienstammbaum der Bewohner der beiden Anwesen, und und und... Das einzige Manko war in meinen Augen nur die Unhandlichkeit und man musste aufpassen, dass die vielen kleinen Extras nicht beim Lesen rausfallen. Aber das kriegt man schon gebacken. Zum Buch selbst: Ich liebe den Schreibstil. Um genauer zu sein, die Übersetzung hier. Vieles erfordert eine so spezielle Lösung, dass ich nur von dieser sprechen kann. Da wäre z.B. der Dialekt Josephs oder die harsche Redensart Heathcliffs oder der sprachliche Zeitgeist. Ich habe alles abgekauft. Ich fand die Handlung auch sehr spannend, was auch daran liegt, dass ich sie noch nicht kannte, was für jeden, der meine Handlungszusammenfassung gelesen hat, nur bis zu dem Punkt gilt, an dem ich sie beende. Ich finde die Rahmenhandlung genial mit dem chronologischen Verlauf verwoben. Man brennt darauf zu erfahren, wie das Schicksal mit den unglücklichen Personen auf Wuthering Heights gespielt hat und wer diese sind, wie sie zueinander stehen. Und sobald man dies weiß, denkt man vielleicht, alles hätte sich geklärt. Aber nein: Bis zuletzt konnte mich das Buch überraschen: Zwar ist die Stimmung von Anfang bis Ende düster und trist, und doch kommt es immer wieder zu Leidenschafts- und Gefühlswellen bei den Charakteren, was zu überraschenden Reaktionen führt. Dies gilt besonders für Heathcliff. Allein über ihn könnte ich einen Artikel schreiben. Was für ein seltsamer Mann. Das Buch ist ja weiß Gott nicht dick, aber die Autorin hat es geschafft, jeder Figur einen Körper zu geben, der auch in der realen Welt Schatten wirft. Man kann sich wirklich vorstellen, wie sie vor einem stehen. Ob man das möchte, ist eine andere Frage. Ich bewundere Nelly Dean, die uns und Mr. Lockwood die Geschichte erzählt. Sie ist zwar nur ein Dienstmädchen und dennoch hat sie es, wie fast alle Charaktere, faustdick hinter den Ohren. Sie kriegt scheinbar alles mit und es ist unterhaltsam, sich zwischen ihren scharfen und bedeutungsschwangeren Bemerkungen ein genaueres Bild zu malen. Merkt man Gesellschaftskritik? Es gibt gewiss Romane dieser Zeit, bei denen die Frage leichter zu beantworten ist. Es wird bis zuletzt nicht geklärt, wo Heathcliff herkommt, allerdings sind die meisten ihm feindselig gegenüber, noch bevor er selbst diese Eigenschaft herausbilden kann. Ich würde dennoch nicht so weit gehen und Rassismus ins Spiel bringen. Ist es emanzipatorisch? Nein. Außer den Angestellten arbeitet keine Frau oder hat das Recht, selbst über sich zu entscheiden. Catherine heiratet zwar aus freien Stücken, aber auch sie hat das Geld Lintons vor Augen und die Politik der Erbfolge der beiden Anwesen. Aha: Erbfolge. Man könnte schon sagen, dass dies der Dreh- und Angelpunkt des Romans ist: Um den Besitz der Anwesen zu sichern und zu vergrößern, werden Heiratspläne geschmiedet und die einzelnen Familienmitglieder wie Puppen miteinander verkuppelt, dass am Ende jeder mit jedem verwandt ist, es ist fast schon parodiös. Dies könnte man durchaus als Gesellschaftskritik durchgehen lassen. Am Ende siegt wahre Liebe dann doch, oder nicht? Ein weiteres großes Motiv dieses Romans ist Rache. Und die Frage, ob sie jemals zu etwas führt. Und Liebe, bedingungslose Liebe, die sich wegen ihrer Verbotenheit immer weiter hochschaukelt... Diese Moorlandschaft... Genau das richtige Buch, um sich mit einer Tasse Tee in einer Decke einzukuscheln und den Regen draußen zu vergessen. Wer durch das Lesen auf frohe Gedanken kommen möchte, sollte aber die Finger von diesem lassen und es sich für Zeiten aufheben, in denen er im Reinen ist mit der Welt. Denn genau dann kann man froh sein, dass man kein Teil der Welt in diesem Buch ist. "Ich gab ihm mein Herz, und er nahm es und quälte es zu Tode und warf es mir wieder vor die Füße." Um kein Geld der Welt würde ich Gast auf Wuthering Heights sein wollen und dennoch zieht es mich jetzt dorthin!
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