1984 [Rezension]


"Freiheit bedeutet die Freiheit zu sagen, dass zwei und zwei vier ist. Gilt dies, ergibt sich alles übrige von selbst."




Eckdaten


Titel: 1984
Autor: George Orwell
Verlag: Ullstein
Seiten: 384 mit Nachwort und Aufsatz über Grundlagen des Neusprech
Erscheinungsjahr: 1999 (1949)
Übersetzung: Aus dem Amerikanischen von Michael Walter
Nachwort von Herbert W. Franke
ISBN: 3-548-23410-0
Genre: Dystopie
Art: flexibler Einband



Inhalt



Wir befinden uns im J
ahre 1984 in London, dem Zentrum von Ozeanien, ein absolutistischer Staat, der zusammen mit Eurasien und Ostasien die Menschheit dreiteilt. Winston Smith arbeitet für das Ministerium der Wahrheit, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, alle Dokumente der Vergangenheit so zu verändern, dass sie mit der aktuell für wahr erklärten Historie übereinstimmt. Durch den Großen Bruder, das Oberhaupt des Engsoz (Englischer Sozialismus), das als Staatsreligion verstanden werden kann, nur dass es keine Religion ist, hat, auch wenn man ihn nur von Plakaten und anderen Abbildern kennt, alle Bürger fest im Begriff. Besonders die inneren und äußeren Parteimitglieder werden durch Teleschirme und die Gedankenpolizei nahezu pausenlos kontrolliert und hegt man nur einen halbwegs nicht konformen Gedanken, wird man im Ministerium für Liebe landen und hingerichtet. 

Die gewohnte Sprache wird nach und nach ausgerottet und gegen ein sogenanntes Neusprech ersetzt, in dem man auf lange Sicht gar keine widrigen Gedanken mehr denken können wird, ganz einfach weil der Wortschatz es nicht zulassen wird.

Das Ministerium für Frieden beschäftigt sich mit dem Krieg, der schon gar nicht mehr auffällt, weil er schon Dauerzustand ist und es weiß auch niemand, ob er jetzt gerade gegen Eurasien oder Ostasien geführt wird, denn die Regierung ändert ständig ihre Meinung.

Winston befolgt die Anweisungen des Ministeriums und hat auch sonst eine kooperierende Lebensweise, bis er im Gebiet der Proles, die am Rande der Gesellschaft leben und als Menschen zweiter Klasse gelten, einen interessanten Laden mit Antiquitäten findet und dort ein Notizbuch kauft. Von da an schreibt er Tagebuch und teilt uns seine Gedanken mit.

Er äußert seinen Zweifel am Engsoz und großem Bruder, sowie der Hasswoche. Der Hass der Parteimitglieder gilt Goldstein, der der Anführer einer Widerstandsgruppe, der "Bruderschaft", sein soll. Winston versucht nun herauszufinden, ob es diesen Widerstand wirklich gibt und begegnet auf dieser Suche einer großen Liebe, die in dieser Gesellschaft nicht existieren darf und anderen großen Gefahren...


Triggerwahrnung: Bei Rattenphobie ist Vorsicht geboten!


" Wenn man die Regeln im kleinen einhalte, könnte man sie im großen übertreten.
(S. 159)


Meine Meinung


Oh, war das erschreckend!!! Niemals will ich in dieser Welt leben und ich musste mich wirklich andauernd fragen, wer das schon will. 

Man kennt sicher die allgemeine Meinung, dass wir inzwischen 1984 um Weiten überholt haben. Auf manche Aspekte des Buches bezogen mag das auf jeden Fall stimmen. Bei manch anderen Dingen, wie der 100%igen Freudenlosigkeit nicht so ganz. Und bei Dingen wie unnützer Krieg und Medienkontrolle, Big Brother kann ich wiederum vollstens zustimmen.
Und wer bitteschön kann schon mit Sicherheit sagen, dass Dinge, die wir aus Büchern oder dem Fernsehen auch wirklich wahr sind? Wieviele Tatsachen nehmen wir einfach so hin ohne sie selbst zu überprüfen oder nachzuvollziehen? 

Ich würde mir wünschen, dass wir Wahrheiten nurnoch dann weiterverbreiten, wenn wir nicht nur an sie glauben, sondern weil wir sie durch Logik und Verstand als wahr anerkannt haben. Aber davon sind wir leider weit entfernt. 

Die Sprache ist nicht poetisch, was ich aber auch nicht erwartet habe. George Orwell hat auf seine ganz eigene, nüchterne Art mit der Sprache gespielt, sogar ein ausgeklügeltes neues Sprachsystem geschaffen. Auch durch die zahlreichen Widersprüchen und Paradoxons bin ich davon überzeugt, dass Orwell das System des Engsoz von vorne bis hinten durchdacht hat.

Eigentlich könnte man sagen, dass der Leser hier zu einem sehr erschreckenden Gedankenexperiment eingeladen wird, aus dem er bestenfalls mit noch größerer Abneigung gegen alle extremen Positionen, Rechtsextremismus, Kapitalismus, Kommunismus..., wieder herausgeht.

Ich habe mich die ganze Zeit über gefragt, ob das Buch wirklich so realitätsnah ist, wie man beim Lesen der kleinen Details manchmal denkt. Denn wer will denn für Macht ein so extremes Leben und wer bitte lässt zu, dass die Gesellschaft in diese Richtung entwickelt? Aber dann musste ich nur in die Vergangenheit blicken und auch heute sieht man, wie leicht man in Extremismus abschweifen kann.

Andererseits sagt das Buch aber auch aus, dass der Mensch so stark sein kann, seinen Geist nicht brechen zu lassen, auch wenn er dafür seinen Körper opfern muss. Leider ist das Ende offen und wir erfahren nicht, ob das System wirklich überlebt, denn niemand erfährt von all den Geistern, die im Geheimen ihre Seele nicht verkauft haben.

Selten hat mir ein Buch solch einen Schrecken eingejagt, dass es mich überall gejuckt hat. Ich habe an einer Stelle am Ende wirklich überlegt, nicht weiterzulesen, weil es mich so geekelt hat. Genau das zeichnet das Buch aus: Die Welt, in die wir reisen, ist so unangenehm, dass wir Leser nach einem Strohhalm klammern wollen, aber keinen finden. Denn richtige Liebe, nicht nur Verlangen, existiert anscheinend auch nicht.  Am Ende ist man wahrscheinlich nur erleichtert, dass unsere Welt so erschreckend nun auch wieder nicht ist.




Fazit


Der Schrecken lebt noch in mir!



" Allein das Wort 'Krieg' ist missverständlich geworden. Wahrscheinlich wäre es richtig zu sagen, dass der Krieg dadurch, dass er permanent wurde, zu existieren aufgehört hatte.
(S. 240)



Wertung






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